Blockchain: Diesen Trend will niemand verpassen

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pv magazine: Was gibt es für aktuelle Entwicklungen?

Karl-Heinz Remmers (Foto): Die Entwicklung geht sehr sehr schnell. Vor einem Jahr gab es im Energiebereich noch gar keine konkreten Anwendungen. Dann kam die erste Transaktion von Pionieren in Brooklyn. Jetzt ist es schon wieder drei Monate her, dass Thorsten Zoerner das erste Mal eine Kennzeichnung von Grünstrom mit Blockchaintechnologie realisiert hat und parallel vorgestellt hat, wie eine damit realisierbare Stromgenossenschaft aussehen könnte, bei der die Teilnehmer Erzeuger und Verbraucher sind. Da ist ein großer Schritt. Er ist im übrigen ein Einzelunternehmer. Das zeigt, dass man mit dieser so genannten offenen Blockchain-Technologie auch auf dieser Ebene sehr interessante Dinge aufsetzen kann. Vor kurzem hat Innogy dann das Projekt Share and Charge vorgestellt mit Blockchain-Technologie vorgestellt.

Was heißt offene Blockchain?

Bei einer offenen Blockchain wird ein System benutzt wie zum Beispiel das so genannte Ethereum, das von allen benutzbar ist. Dort kann auch jeder einsehen, was für Transaktionen gemacht werden, und verifizieren, dass nicht geschummelt wird. Trotzdem kann man die Transaktionen übrigens nicht persönlich zuordnen. Bei einer geschlossenen Blockchain nutzen ein oder mehrere Unternehmen zusammen die Technologie auf eigenen Systemen. Das verändert die Art und Weise, wie die Sicherheit hergestellt wird und sorgt dafür, dass Außenstehende die Transaktionen nicht einsehen können.

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Auf dem "Blockchain Tag für die Energiewelt" werden viele der im Interview angesprochenen Themen diskutiert. Er wird zum zweiten Mal von der Solarpraxis Neue Energiewelt organisiert und findet am 27. Januar 2017 in Berlin statt.Mehr Informationen ********************************************

Gibt es dafür auch schon konkrete Beispiele?

Share and Charge, Teilen und Laden, von Innogy ist ein System mit einer geschlossenen Blockchain. Das heißt auch Democratic Mobility System. Das ist offen für alle Elektroautobesitzer und Ladesäulenbetreiber, die sich angemeldet haben. Innogy hat das mit einer Blockchaintechnologie realisiert, da sie damit sehr viele Teilnehmer aufnehmen können und das System mit vernünftigen Kosten und mit hoher Sicherheit betreiben können. Es gibt zur Zeit sehr viele Ideen und Entwicklungen. Share and Charge ist eine, die man anfassen kann und die schon ziemlich konkret ist. Jeder kann über das Netzwerk eine Ladestation anbieten. Es gibt darüberhinaus gehende Ideen, so ließe sich zum Beispiel das Auto als eine Art Brieftasche benutzen.

Noch einmal zum Thema Bürgergenossenschaft. Ist das eine Art Zertifikatehandel?

Der erste Teil, bei dem Grünstrom-Jetons gehandelt werden, ist vielleicht so was ähnliches. Allerdings hat das nichts mit dem Zertifikatehandel zu tun, mit dem ein großer Teil des Ökostroms ausgezeichnet wird. Diese Auszeichnung bedeutet oft nur, dass auf dem Papier „norwegischer Wasserkraftstrom“ steht, ohne dass auch nur ein Elektron von Norwegen nach Deutschland fließt. Das ist die Idee des Grünstrom-Jetons nicht. Bei den Grünstrom-Jetons spielt die Regionalität und Gleichzeitigkeit eine Rolle.

Heißt das, man kann Erzeuger belohnen, die den erneuerbaren Strom dann bereitstellen, wenn er erzeugt wird, und damit die Energiewende voranbringen?

Ja, genau.

Eigentlich ist das eine Technologie, die im Hintergrund laufen soll, um Transaktionen sicher und effizient abzuwickeln. Vieles geht ja auch mit anderen Technologien, mit zentralen Servern. Ist Blockchain trotzdem disruptiv?

Ja, man bekommt das auch mit anderen Technologien hin und es hat sich auch schon gezeigt, dass auch eine Blockchain anders als oft behauptet nicht hundert prozentig sicher ist. Das ist die eine Seite. Man sieht aber auch, dass sich die Kryptowährung Bitcoin trotz Hacks immer weiterentwickelt. Obwohl das Projekt schon öfter totgesagt wurde, wächst die Marktkapitalisierung der Bitcoins im Umlauf immer weiter. Und das, obwohl das Projekt aus eine Hackerwelt kommt. Es gibt also eine gewisse Sicherheit. Blockchain ist eine junge Technologie und sie muss sich noch weiterentwickeln. Der Unterschied zu den anderen Technologien ist, dass die Transaktionen, die mit Blockchain abgewickelt werden, gleichzeitig vollkommen transparent sind und trotzdem jeder, der mitmacht, verschlüsselt damit arbeiten kann. Ich will einfach nicht, dass die Firma Amazon weiß, wenn ich mir ein Brötchen gekauft habe, weil der Bäcker mit dem Bezahlsystem von Amazon verkauft hat. Das Wort disruptiv wird ja sehr inflationär gebraucht und manchmal wird bei der Digitalisierung vergessen, dass man am Ende jemand braucht, der den Winterreifen wechselt.

Trotzdem dürfte es zurzeit ja kaum ein Energieunternehmen geben, in dem sich nicht einige Mitarbeiter mit Blockchain beschäftigen. Warum?

Man denkt darüber nach, weil es eine Hintergrundtechnologie ist, die möglicherweise eine breite Wirkung hat. Die Bürgerenergie kann sich über diese Technologie wirklich in eine wirklich neue Phase katapultieren. Ich glaube aber auch, dass sich viele Unternehmen damit beschäftigen, weil sie Angst haben, etwas zu verpassen. Diesen Trend will niemand verpassen. Wenn man die Digitalisierung der klassischen Energiewirtschaft mit der im Handel vergleicht, dann ist die Energiewirtschaft noch in der Steinzeit. Wir haben einen Stromhandel im 15 Minutentakt, obwohl wir bei der Systemsteuerung schon weit darunter sind. Die ganze Direktvermarktung von Solar- und Windstrom verläuft in viel kürzeren Zeitfenstern, da die Erzeugung viel zu schnell fluktuiert. Da wird sich noch viel tun.

Das Interview führte Michael Fuhs.

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